O Fortuna! Das Rad der Glücks- und Schicksalsgöttin bestimmt den Lauf der Welt. Die 1937 uraufgeführte Vertonung der „Carmina Burana“ – zu Deutsch: „Lieder aus Benediktbeuern“ – hat Carl Orff weltweit bekannt gemacht. Die Grundlage dafür bildet eine Auswahl von Texten aus dem 11. und 12. Jahrhundert in mittellateinischer und mittelhochdeutscher sowie teilweise auch altfranzösischer Sprache.

Die Liedertafel Neustadt präsentiert dieses monumentale, vor Lebensfreude und mitreißenden Rhythmen sprühende Werk am Sonntag, 16. Juni, zusammen mit ihrem Partnerchor Cantoria Mâcon, dem Universitätschor Mannheim, dem Unterstufenchor des Goethe-Gymnasiums Germersheim, der Kurpfalzphilharmonie Heidelberg und der Ballettschule Petra Schreieck. Um genügend Platz für die insgesamt rund 300 Akteure zu schaffen, wird es eine spezielle Zusatzbühne geben. Das Konzert unter der Leitung von Jürgen Weisser beginnt um 19:00 Uhr. Die Solopartien übernehmen Sabine Goetz (Sopran), Fabian Kelly (Tenor) und Hao Wen (Bariton).

Die Vorfreude auf das „Carmina Burana“-Konzert ist enorm – bei den Mitwirkenden wie bei den Kulturinteressierten in Neustadt und der Region. Die letzten Proben stehen an. Schon wenige Tage nach dem Beginn des Vorverkaufs waren nur noch wenige Karten verfügbar. Inzwischen ist das Konzert ausverkauft.

Das Projekt wird durch den Deutsch-Französischen Bürgerfonds gefördert. Der Deutsch-Französische Bürgerfonds berät, vernetzt und finanziert Projekte, die die deutsch-französische Freundschaft und Europa in der Breite der Bevölkerung erlebbar machen. Er fördert eine Vielzahl an Formaten und Themen, ist niedrigschwellig und steht allen Akteuren der Zivilgesellschaft offen.

Der Bürgerfonds geht auf den im Jahr 2019 zwischen Deutschland und Frankreich geschlossenen Vertrag von Aachen zurück und wurde im April 2020 errichtet. Er wird vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) umgesetzt und wird zu gleichen Teilen von der Bundesregierung und der französischen Regierung finanziert.

Über das Werk

  • O Fortuna

    Die monumentale Anrufung der Göttin Fortuna markiert sowohl Anfang als auch Ende von Carl Orffs „Carmina Burana“. Als „Fortuna Imperatrix Mundi“ („Fortuna, Herrscherin der Welt“) ist sie zugleich Glücks- als auch Schicksalsgöttin – je nachdem, wie sich gerade das Schicksalsrad dreht. Sie bestimmt damit den Lauf der Welt. Orff begann die Komposition 1934, nachdem er auf die 1803 im Kloster Benediktbeuern wiederentdeckte und 1847 von Johann Andreas Schmeller herausgegebene mittelalterliche Handschrift des „Codex Buranus“ gestoßen war. Schmeller war es dann auch, der seinem Buch den Namen „Carmina Burana“ („Lieder aus Benediktbeuern“) gegeben hatte.

     

    Wie viele andere mittelalterliche Codices besteht auch der „Codex Buranus“ aus unterschiedlichen Texten (Minne-, Trinklieder, Satiren sowie Lieder mit Themen aus Geschichte, Mythologie, Religion und Moral). Rasch hatte Orff eine Auswahl der Texte getroffen und binnen weniger Wochen zu allen Sätzen Entwürfe angefertigt. Allerdings dauerte die endgültige Ausfertigung der Orchesterpartitur noch bis in den August 1936 an, die Uraufführung folgte ein Jahr später. Trotz ihrer Entstehung während der NS-Diktatur erfreuten sich Orffs „Carmina Burana“ unmittelbar nach 1945 national wie international großer Begeisterung.

     

    Orff ordnet die einzelnen Gesänge in drei Abteilungen, eingeklammert von den Anrufungen der Göttin Fortuna. Die erste Abteilung besingt – zunächst in lateinischer Sprache („Primo vere“) – das Wiedererwachen von Natur und Liebe. „Uf dem anger“, also auf dem zentralen Dorfacker, geben sich die Menschen im Tanz den Frühlingsgefühlen hin. Orff dürfte sich hierbei vom Ausdruckstanz einer Mary Wigman inspiriert haben lassen. Bereits in diesen ersten Nummern wird deutlich, dass Orff von allen musikalischen Parametern der Rhythmik die größte Bedeutung zusprach. Ständige Taktwechsel und teilweise Polyrhythmik unterstreichen den ekstatischen Charakter – die teilweise archaisch anmutende Harmonik und die liedhafte Melodik sind untergeordnet.

     

    In der zweiten Abteilung verlagert sich das Geschehen vom Dorfanger in die Schenke („In Taberna“). Hier sind die Männer nun unter sich, feiern und trinken ausgelassen. Eine groteske Anspielung auf das im Minnesang beliebte Sujet des sterbenden Schwans stellt hier der Gesang eines Schwans dar, der gerade über dem Feuer gebraten wird („Olim lacus colueram“).

     

    Der Cour d’amours („Hof der Liebesabenteuer“) bildet den dritten großen Abschnitt: In ihm gelingt nun endlich die anfänglich vorgezeichnete Annäherung zwischen Männern und Frauen. Dass sich diese nicht nur in amouröser, sondern durchaus auch in sexueller Hinsicht vollzieht, wird im letzten Sopran-Solo („Dulcissime“) durch eine nahezu orgastische „Cadenz“ deutlich. In „Ave formosissima“ wird das Thema des vorhergehenden Abschnitts fortgesetzt, nun aus der Sicht des Mannes. Musikalisch fungiert die Nummer jedoch vielmehr als Vorbereitung des Schlusses. Die Schluss-Steigerung („Venus, Venus“) kulminiert im Fortissimo der „Fortuna Imperatrix Mundi“. Damit schließt sich der Schicksalskreis. Wir, die wir uns während des gesamten Stücks immer wieder selbst in den Geschichten wiederentdecken konnten, werden ernüchternd daran erinnert, dass alles Glück, jeder freudige Tanz letztlich dem unerbittlichen Kreislauf des sich beständig wendenden Schicksals unterworfen ist: „O Fortuna …“

Solisten und Dirigent

  • Sabine Goetz, Sopran

    Sabine Goetz erhielt ihre Ausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim. Schon im Studium war sie Preisträgerin in internationalen Wettbewerben. Als Opernsängerin wurde sie am Theater Aachen engagiert und gastierte unter anderem in Mozart-Partien (als Pamina und Susanna) sowie in Barock-Opern (zum Beispiel „L’Orfeo“ von Claudio Monteverdi und „Les Indes galantes“ von Jean-Philippe Rameau).

     

    Ihr Repertoire im Oratorienfach umfasst die lyrischen Sopranpartien von Monteverdi, Bach und Händel über Mozart und Haydn bis hin zu Mendelssohn, Brahms und Mahler. Sabine Goetz konzertierte mit Konrad Junghänel, der Nederlandse Bachvereniging, dem Capricornus Consort Basel, dem Main-Barockorchester Frankfurt, Les Talens Lyriques und der Akademie für Alte Musik Berlin – unter anderem in der Alten Oper Frankfurt, in der Kölner Philharmonie, bei den Händel-Festspielen in Halle, im Théâtre des Champs-Elysées in Paris, in Italien, Portugal, Polen und Kolumbien.

     

    Die Arbeit als Gesangspädagogin nimmt neben der künstlerischen Tätigkeit einen immer größeren Raum ein und ist vielseitig aufgestellt: Sabine Goetz unterrichtet im eigenen Studio R7 in den Mannheimer Quadraten. Sie war mehrfach als Jurorin bei „Jugend musiziert“ für Gesang und für Vokalensemble tätig. Bereits seit 2017 lehrt Sabine Goetz an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim.

     

  • Fabian Kelly, Tenor

    Der deutsche Tenor Fabian Kelly, geboren in Speyer, studierte zunächst Schulmusik, dann Gesang an der Hochschule für Musik Mainz in der Klasse von Prof. Andreas Karasiak. Sein Konzertexamen schloss Fabian Kelly 2024 mit Auszeichnung ab.

     

    Gefragt im In- und Ausland, war er 2019 bei den Schwetzinger Festspielen in der Produktion von Franz Ignaz Becks „L’isle deserte“ mit dem Orchester La Stagione  unter der Leitung von Michael Schneider zu hören, ebenso als Evangelist der „Matthäus-Passion“ mit La Petite Bande unter der Leitung von Sigiswald Kuijken in Konzerten im Concertgebouw Amsterdam. Seit 2020 ist Fabian Kelly als Solist fester Bestandteil des „Telemann project“, welches als erstes den gesamten französischen Kantatenjahrgang Georg Philipp Telemanns auf CD aufnimmt.

     

    Seine äußerst rege Konzerttätigkeit führte Fabian Kelly bereits durch ganz Deutschland und Europa – etwa nach Malta, England, Belgien, Luxemburg und in die Schweiz, ebenso nach Japan und Korea. Solistisch trat er bereits im Gran Liceu de Barcelona, in der Kölner Philharmonie, im Concertgebouw Amsterdam und zuletzt in der Berliner Philharmonie auf.

     

    Fabian Kelly konzertiert regelmäßig mit Orchestern wie La Petite Bande, B’Rock, La Stagione Frankfurt, der Lautten Compagney, dem EUBO, L’arpa festante, dem Main-Barockorchester Frankfurt, der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und weiteren renommierten Ensembles.

     

    Der junge aufstrebende Tenor arbeitete bereits mit international renommierten Dirigenten wie Ton Koopman, Masaaki Suzuki und René Jacobs zusammen. Meisterkurse unter anderem bei Claudia Eder, Andreas Scholl, Terry Wey ergänzen seinen musikalischen Werdegang.

     

  • Hao Wen, Bariton

    Der chinesische Bariton Hao Wen schloss 2015 seinen Bachelor im Fach Belcanto an der Universität für Kunst in Guanxi (China) ab. 2017 wechselte er für den Master Operngesang und Konzertgesang an die Hochschule für Musik Freiburg.

     

    Nach seinem Master-Abschluss 2020 in beiden Fächern begann Hao Wen die solistische Ausbildung Gesang an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim bei Prof. Timothy Sharp. Hao Wen stand bereits als Papageno („Die Zauberflöte“), Figaro („Le nozze di Figaro“) und Escamillo („Carmen“) auf der Opernbühne. Darüber hinaus verkörperte er die Basspartien unter anderem in Händels „Messiah“, Bachs „h-Moll-Messe“ und Mendelssohns „Elias“.

     

  • Jürgen Weisser, Leitung

    Jürgen Weisser studierte Fagott, Komposition, Klavier und Kirchenmusik in seiner Heimatstadt Mannheim, Schulmusik und Politische Wissenschaften in Heidelberg sowie Dirigieren und Komposition in Detmold.

     

    Nach ersten Kompositionspreisen und Engagements als Pianist am Nationaltheater Mannheim, bei der Nordwestdeutschen Philharmonie Herford und am Aalto-Theater Essen war er seit der Spielzeit 1988/89 als Kapellmeister am Oldenburgischen Staatstheater engagiert. Dort hatte er auf Wunsch von Brigitte Fassbaender auch sein Debüt als Opernsänger in ihrer weithin beachteten „Rosenkavalier“-Inszenierung. Als einer der begabtesten Dirigenten seiner Generation wurde er 1992 in das Dirigentenforum des Deutschen Musikrats berufen.

     

    Nach weiteren Verpflichtungen als Chefdirigent am Landestheater Mecklenburg und als Musikalischer Leiter der Musikbühne Mannheim ist Jürgen Weisser seit 2005 Künstlerischer Leiter des Kammerorchesters der Mannheimer Abendakademie, seit 2008 ständiger Gastdirigent der Kurpfalzphilharmonie Heidelberg und seit 2010 Dirigent des Sinfonieorchesters Neustadt.

     

    Jürgen Weisser stand bisher nicht nur am Pult von über 40 Orchestern, sondern hat auch als Chorleiter mit zahlreichen Laien-, Studenten- und Profichören gearbeitet. Im Sommer 2009 kam er der Einladung nach, mit dem Opernchor des Nationaltheaters Lissabon Richard Wagners „Götterdämmerung“ einzustudieren. Seit 2015 leitet Jürgen Weisser den Universitätschor Mannheim. Im Februar 2022 übernahm er die Leitung des Philharmonischen Chors Liedertafel Neustadt.

     

    Seine Musiktheaterstücke für Kinder, die er mit dem Textautor Eberhard Streul erstellte, wurden inzwischen an über 100 Theatern im In- und Ausland aufgeführt. Seit 2005 unterrichtet Jürgen Weisser Musik am Goethe-Gymnasium Germersheim. 2009 führte er dort das Unterrichtsmodell der Gesangsklasse ein. Ausgehend von der Überzeugung, dass der aktive Zugang zu Musik unabhängig vom Elternhaus ermöglicht werden sollte, gibt es seitdem am Goethe-Gymnasium nicht nur eine Klasse, die aktiv musiziert (wie an vielen anderen Schulen), sondern alle 5. und 6. Klassen sind dort aktive Musikklassen. Der Unterstufenchor wurde 2005 von Jürgen Weisser gegründet. Derzeit besteht er aus etwa 50 Kindern der 5. und 6. Klassen.

     

     

    „The Peacemakers“: Beim Konzert am 18.06.2023 stand die Liedertafel Neustadt unter der Leitung von Jürgen Weisser mit dem Unterstufenchor des Goethe-Gymnasiums Germersheim, der Kurpfalzphilharmonie Heidelberg und der Solistin Giorgia Cappello auf der Bühne in der katholischen Kirche St. Pius.
    „The Peacemakers“: Beim Konzert am 18.06.2023 stand die Liedertafel Neustadt unter der Leitung von Jürgen Weisser mit dem Unterstufenchor des Goethe-Gymnasiums Germersheim, der Kurpfalzphilharmonie Heidelberg und der Solistin Giorgia Cappello auf der Bühne in der katholischen Kirche St. Pius.